Der Marburger Ausländerbeirat zu Besuch bei Sören Bartol.
Vom Sonntag, 23.4. bis Mittwoch, 26.4. waren Mitglieder und Geschäftsstelle des Marburger Ausländerbeirates bei Sören Bartol in Berlin. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und parlamentarische Staatssekretär hatte uns zu sich eingeladen.
Schon die Anreise per Zug bot Raum für erste Diskussionen. Bei ein paar Tassen Kaffee brachten wir uns im Bordrestaurant schonmal in Stimmung. Erste Fragen wurden vorbereitet, die mit unserem Bundestagsabgeordneten Sören Bartol diskutiert werden sollten.
In Berlin angekommen ging es zum wunderschönen Humboldt Forum: Zunächst auf die Dachterrasse, um einen ersten Rundblick auf unsere Hauptstadt zu werfen. Danach ging es in verschiedenen Ausstellungen. Die meisten von uns zog es in die ethnologische Sammlung. Kolonialismus und seine Folgen für die betroffenen Gesellschaften zu thematisieren, gehören zu unserer Arbeit.
Am Montag gab es eine Stadtrundfahrt – an politischen Punkten orientiert. Neben historischen Orten, die in der NS-Zeit oder während der Teilung Deutschlands eine Rolle spielten, ging es auch um die heutigen Standorte von Politik – Ministerien und Botschaften inklusive. Besonders eindrücklich war auch der Mauerabschnitt in der Bernauer Straße. Ein Brennpunkt deutsch-deutscher Nachkriegsgeschichte: Hier wurden uns die dramatischen Folgen der Teilung Deutschlands besonders deutlich.
Sylvie Cloutier, Vorsitzende des Ausländerbeirats erinnerte sich in diesem Zusammenhang, an die Jahre, die sie zu Beginn der 2000er in Erfurt verbracht hatte. Damals hatten in der Stadt vor allem Frauen, ihren Arbeitsplatz verloren. Berufserfahrene Ingenieurinnen mussten als Putzkraft arbeiten, um sich über die Runden zu bringen, andererseits fand sie dort eine deutlich bessere Kinderbetreuungsinfrastruktur vor als in Westdeutschland: „Man hätte in Ost und West mehr aufeinander zugehen und voneinander lernen sollen. Es hätte für die Menschen im Osten auch mehr Empathie bedurft, da sie einen gewaltigen biographischen Bruch durchlebten. Als Ausländerin habe ich mich schon sehr gewundert, wieso nach dem schönen Ereignis des Mauerfalls die beiden Teile eher nebeneinander als miteinander lebten. Die Menschen wussten und wissen bis heute wenig über die Lebensrealitäten der Anderen.“
Nach dem Mittagessen ging es dann in den Deutschen Bundestag. Bei der Besichtigung und dem Vortrag im Plenarsaal ging es allgemein um das politische System Deutschlands sowie die Geschichte des Hauses. Anschließend das Highlight unserer Reise: Die Diskussion mit Sören Bartol. Wir kamen mit besonders weitreichenden Fragen – zur Verbesserung der Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem, zur Außenpolitik mit China, zur Frauen*revolution im Iran, aber auch zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Deutschland. Typisch demokratisch: In vielen Punkten stimmten wir mit Sören Bartol überein, in anderen bestehen Meinungsverschiedenheiten. Nach einem Fototermin besuchten wir noch gemeinsam die Kuppel im Reichstagsgebäude, staunten über die großartige Architektur und warfen erneut einen Blick über das famose Berliner Regierungsviertel.
Mit dem Bus über die ehemalige innerdeutsche Grenze ging es am darauffolgenden Tag, am Dienstag. Das Ziel: Die Gedenkstätte und das Museum Sachsenhausen. Das ungemütliche Wetter verstärkte die bedrückende Stimmung im ehemaligen KZ. Bilder und Zeugnisse der Gräueltaten der NS Zeit hinterließen bleibende Eindrücke. Wir nutzten diese Gelegenheit für einen tiefgreifenden Austausch mit anderen Delegationen zu führen, die an der Führung teilnahmen. Menschliche Emotionen sind universell, unabhängig von ihrer Herkunft. Die gleiche Angst und Wut über die Schrecken der Menschheit, die gleiche Sehnsucht und das Streben nach Gutem sind überall zu spüren.
Unser Mitglied, Xiaotian Tang, reflektierte nach dem Besuch, „Wir müssen uns immer wieder fragen, inwiefern Nazis auch heute noch eine Chance auf Macht haben. Die multikulturelle Gesellschaft, die wir heute als zivilisiert und tolerant bezeichnen, ist zeitlich nicht weit entfernt vom Genozid, vom Massenmord, von der ‚ethnischen Säuberung‘. So felsenfest wie die Berliner Mauer und so zerbrechlich wie die Berliner Mauer ist die Zivilisation, die Menschen von Dämonen trennt.“
Für uns alle ist klar: NIE WIEDER darf so etwas passieren! Das ist auch unsere Aufgabe und unsere Verantwortung als Ausländerbeirat!
Der Abreise am Mittwoch, 26.4. ging noch ein Informationsgespräch im Bundesministerium für Arbeit und Soziales voraus. Auch wenn das Thema Renten und Geschichte des Ministeriums wichtig und interessant waren, bleibt für uns die Diskussion über die Integration und Chancengleichheit der Ausländer*innen auf dem Arbeitsmarkt und auch überall sonst das wichtigste Thema! Wir freuen uns auf weitere Fahrten mit dem Ausländerbeirat, um unsere Positionen auf höheren politischen Ebenen zu vertreten und uns für die Belange aller Ausländer*innen in Deutschland einzusetzen.